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Einblick in die Lehre: Vernehmungstraining mit Schauspielern

Herr Stein - ein 72-jähriger Rentner
(© StKom - PolFH)

Wie verhalte ich mich, wenn ich auf dem Revier mit Bürgern in Kontakt komme und Anzeigen aufnehmen oder eine Vernehmung führen muss? In der Theorie ist das keine Herausforderung, in der Praxis manchmal schon. Ein Einblick in die Lehre.
Herr Stein - ein 72-jähriger Rentner
(© StKom - PolFH)

Wie verhalte ich mich, wenn ich auf dem Revier mit Bürgern in Kontakt komme und Anzeigen aufnehmen oder eine Vernehmung führen muss? In der Theorie ist das keine Herausforderung, in der Praxis manchmal schon. Ein Einblick in die Lehre.

Es ist beinah wie immer, wenn ein Dozent zu Beginn des Seminars fragt: „Wer will als Erstes?“. Schweigen im Raum. Blicke auf den Boden gerichtet. So ist es auch an diesem Tag. Der Fragende ist Kriminaldirektor Torsten Madlung. Gemeinsam mit dem Psychologie-Dozenten Johannes Marquard führt er durch das „Vernehmungstraining mit Schauspielern“, ein Teilbereich des Moduls M 8.

Marquard versucht dann auch gleich die Teilnehmenden des Seminars mit einem „Nicht alle auf einmal!“ zu ermutigen, dann doch den Startschuss zu geben. Eine Studierende meldet sich. Es kann also losgehen. Vorher nimmt Torsten Madlung noch den Schauspieler des heutigen Tages, Peter Splitt, mit in den Vorbereitungsraum. In einer kurzen Absprache wird die Rolle besprochen, in die Splitt zu Beginn schlüpfen soll.

Splitt wird zu Herrn Stein, einem 72-jährigen Rentner, der vom Balkon seiner Wohnung an der Ginsterstraße eine Gruppe von drei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beobachtet hat, die mit einem verchromten Metallrohr und einer Sektflasche Autos beschädigt haben. Stein wirkt freundlich und scheint offensichtlich froh zu sein, eine - wie er selbst sagt - sehr sympathische Gesprächspartnerin zu haben.

Es geht um die aktuellen Angebote im Aldi-Prospekt, die Farbe der potentiellen Stuhlkissen und die Trennscheiben auf dem Revier, die zu Corona-Schutz-Zwecken zwischen der Vernehmenden und dem Probanden stehen. Diese könne er doch bestimmt bekommen, wenn „…das mit Corona dann mal vorbei ist!“. Er würde auch mehrere nehmen, wenn die Polizei so viele habe. Da könne er sich in seinem Garten ja was Schönes bauen!
 

Fokussierung auf die wesentlichen Fakten

Vernehmung
(© StKom - PolFH)

Es fällt nicht leicht, mit Herrn Stein ein Gespräch zu führen, welches die Ereignisse dieses Tages, an dem die drei Unbekannten auf die Autos vor seiner Wohnung einschlugen, fokussiert. Wie ein Hase schlägt er Haken von einem Thema zum anderen - und wieder zurück. Durch eine geschickte Gesprächsführung gelingt es aber letztendlich doch, die für den Fall wirklich relevanten Informationen aus Herrn Stein herauszubekommen.

Szenenwechsel. Im Anschluss sitzt da wieder Herr Stein - allerdings ein anderer. Peter Splitt spielt nun einen Herren, Jahrgang 1940, der aus Gutgläubigkeit 1.500 Euro „verloren“ hat. Ihm gegenüber sitzt ein anderer Studierender. Stein wendet sich voller Verzweiflung  an die Dienststelle, schildert teils mit ruhigen Worten, teils mit tränenerstickter Stimme, den Vorfall. In einer Lotterie habe er gewonnen, sagte die freundliche Dame am Telefon. 2.300 Euro! Für den älteren Herren, der durch das Können von Herrn Splitt nahezu beängstigend real wirkt, wäre das ein kleines Vermögen gewesen - so schildert er es zumindest. 500 Euro hätte er allerdings in Form von Gutschein-Guthaben vorstrecken müssen, um den Gewinn erhalten zu können. Er plündert dafür die eisernen Reserven, geht in den Supermarkt und kauft die Karten.

Am kommenden Tag ruft die freundliche Dame zur versprochenen Uhrzeit an, lässt dich die Aktivierungscodes der Karten geben. Danach: Stille am Telefon. Die Dame am Telefon verstummt, um wenig später mitzuteilen, dass sich der Gewinn „durch einen Fehler im System“ auf sage und schreibe 23.000 Euro steigert. Das Problem des Herrn Stein: er muss auch hier wieder eine „Anzahlung“ leisten. 1.000 Euro in Guthabenkarten. Morgen würde sie wieder anrufen.

Herr Stein berichtet der Dame, er habe so viel Geld nicht. Die Dame entgegnet, er würde dies ja wiederbekommen - und zusätzlich die 23.000 Euro. Er verspricht, alles möglich zu machen. Er geht zu seinem Nachbarn, leiht sich die 1.000 Euro. An der Kasse im Supermarkt wird der Verkäufer stutzig, was der ältere Herr mit den Guthabenkarten möchte. Herr Stein wiegelt ab, kauft die Karten und geht heim.

Am kommenden Tag meldet sich die „freundliche Dame“ erneut. Alles würde seinen Gang gehen. Die 23.000 Euro würden „..morgen, spätestens übermorgen...“ auf dem Konto des Rentners sein. In den kommenden Tagen geht Stein mehrfach zur Bank, kontrolliert seine Zahlungseingänge. Die Zahlung bleibt aus. Er ahnt langsam, dass er betrogen worden ist. Ein Gespräch mit seinem Sohn bringt Gewissheit. Dieser rät zum Gang zur Polizei. Und hier sitzt Stein nun.
 

Praxisnahe Ausbildung durch Handlungstrainings

Gesprächsnotizen
(© StKom - PolFH)

Die gespielten Situationen können sicher nur einen gewissen Teil der Wirklichkeit im "echten" Polizeialltag abbilden, bieten aber einen entscheidenden Vorteil. „Der Mehrwert solcher Trainings liegt in der Anwendung der durch das Studium erlangten theoretischen Inhalte und in der Beteiligung der Schauspieler, da gerade dadurch sehr realistische Szenarien geschaffen werden.“, erläutert Kriminaldirektor Torsten Madlung, der als Dozierender eine der tragenden Figuren der Vernehmungstrainings ist. „Hierbei spielt nicht primär das Auswendiglernen eine vordergründige Rolle, sondern das Verstehen der Theorie und das Übertragen dieser Erkenntnisse in die „Praxis“. Die Studieren bekommen darüber hinaus auch eine Vielzahl von Rückmeldungen und können dadurch ihr erlangtes Wissen noch zusätzlich vertiefen. Weiterhin spüren die Studierenden auch unmittelbar, wie sie ihr erlangtes Wissen einsetzen und somit auch zum Erfolg führen können. Innerhalb der Spielszenen bekommen die studentischen Vernehmenden von den Schauspielern in ihren Rollen darüber hinaus auch eine direkte Reaktion auf ihre Fragen bzw. ihr Verhalten.“, fährt Madlung fort.

Mit dem Ende der Spielszenen ist das Training aber nicht abgeschlossen. Die Gruppe wertet - angeleitet von den Dozierenden - das Erlebte aus. Wie wurde die Gesprächssituation empfunden? Hätte der Polizist mehr auf sein Gegenüber eingehen können? Waren die Fragen korrekt gestellt? All diese Punkte sind im Anschluss das, was das Training „rund“ macht.

Die Vernehmungstrainings haben mittlerweile eine fast zwanzigjährige Tradition an der PolFH. Ursprünglich im ehemaligen Fachbereich „Psychologie“ entwickelt, wurden die Trainings auch auf andere Bereiche übertragen. Begründet liegt dies unter anderem darin, dass die Vernehmungslehre aus drei Säulen besteht:
 
  • der Vernehmungspsychologie, einem Teilgebiet der Forensischen Psychologie
  • der Vernehmungstaktik, die ein Teilgebiet der Kriminalwissenschaften ist und
  • den Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit einer Vernehmung, die wiederum Thema in den Rechtswissenschaften sind.


Anfänglich wurden die Trainings noch von Studierenden aus den eigenen Kursen in Rollenspielen geführt. Erst vor acht Jahren kamen professionelle Schauspieler hinzu und steigerten die Qualität der Lehre - nicht zuletzt deshalb, weil die Schauspieler eine große Menge an Persönlichkeiten realitätsnah abbilden können. Durch Laien könnte dies in dieser Qualität nie umgesetzt werden. Die PolFH ist mit diesem „Setting“ ein Stück weit Vorreiter. Andere Polizeihochschulen führen zwar auch Vernehmungstrainings durch. Der Einsatz von Schauspielern ist dabei nach aktuellem Stand jedoch einzigartig.


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Ansprechpartner für Medienvertreter

EPHK Thomas Knaup

  • Erster Polizeihauptkommissar Thomas Knaup
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