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Studie ''Polizeidienst in Krisenzeiten'' veröffentlicht

Verantwortlich: Martin Kulke (mk)
Stand: 03.08.2021, 16:00 Uhr

(Rothenburg/O.L.) Forscher des Sächsischen Institutes für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS) der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) haben eine bundesweit einmalige Studie zum Polizeidienst während der Corona-Pandemie erstellt. Sie gewährt erstmals Einblicke in die Lebens- und Erfahrungswelten der Beschäftigten einer Länderpolizei während dieser herausfordernden Zeit. Die in Buchform erschienene Studie steht auch als digitaler Volltext kostenfrei zum Download bereit.

Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer Beschäftigtenbefragung, die das Sächsische Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS) von Mitte Oktober 2020 bis Mitte November 2020 in der sächsischen Polizei durchgeführt hat – also genau in jener Zeit, als Deutschland in den zweiten Lockdown steuerte. Themen der Online-Befragung waren unter anderem persönliche Einstellungen und Sichtweisen hinsichtlich der Pandemie und ihre Bekämpfung, Handlungssicherheit und mentale Belastung im Dienst, Zufriedenheit mit der Leistung der Führungskräfte sowie die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.

An der Befragung nahmen 2323 Personen teil. Das sind nicht weniger als 15 Prozent der ca. 15.000 Beschäftigten. Die Forscher betonen, dass sich die Ergebnisse der Analyse dieser Auskünfte unter Berücksichtigung statistischer Fehlertoleranzen durchaus verallgemeinern lassen. Auf Grundlage der Daten ließen sich begründete Aussagen über Einstellungen und Stimmungsbilder nicht nur in der Befragungsstichprobe, sondern in der gesamten Belegschaft der sächsischen Polizei treffen, heißt es dazu im Methodenbericht.

Einige zentrale Ergebnisse der Studie sind:

  • Die Angemessenheit der Corona-Maßnahmen wurde unterschiedlich bewertet. Für ein Drittel der teilnehmenden Bediensteten der Polizei Sachsen waren die Maßnahmen genau richtig gewählt. Für 25 Prozent gingen sie noch nicht weit genug. Dass die Maßnahmen zu weit gingen, fanden 31 Prozent der Befragungsteilnehmer. Nicht weniger als 12 Prozent trauten sich nicht zu, das angemessen zu beurteilen. Das waren mehr als dreimal so viele als in der Gesamtbevölkerung zu diesem Zeitpunkt. Im Vergleich zeigt sich zum einen eine etwas stärkere Polarisierung des Meinungsbildes in der Polizei, zum anderen ein höherer Grad an Verunsicherung. Dies dürfte zu einem Gutteil auf die besondere dienstliche Relevanz des Themas für viele der Befragten zurückgehen.
  • Hinter dieser Perspektivenvielfalt stehen drei Gruppen von Einstellungstypen, bei denen sich verschiedene Sichtweisen und Meinungen in jeweils in sich schlüssiger Weise verbinden. Die Typen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ansteckungssorgen, ihrer Wahrnehmung der Gefährlichkeit des Virus sowie ihrer Einstellungen zur Befolgung und Durchsetzung von Corona-Regeln. In verschiedenen Bereichen der sächsischen Polizei kommen diese drei Typen in teils sehr unterschiedlichen Mischverhältnissen vor.
    • Die „unsicheren Konformisten" bildeten im Befragungszeitraum mit 46 Prozent die größte Gruppe. Sie zeichnet sich durch vergleichsweise moderate Gefahrwahrnehmung und Ansteckungssorgen aus, zeigen aber dennoch eine sehr hohe Bereitschaft, die Corona-Regeln persönlich zu befolgen und dienstlich durchzusetzen.
    • Die zweitgrößte Gruppe waren die „besorgten Interventionisten" mit 32 Prozent. Bei ihnen sind Ansteckungssorgen und Gefahrwahrnehmung besonders stark ausgeprägt, und folgerichtig zeigen sie eine große Bereitschaft, weitreichende Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung persönlich einzuhalten und im Dienst durchzusetzen.
    • Die kleinste Gruppe stellten die „unbesorgten Skeptiker" mit 22 Prozent der Befragten dar. Diese sehen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung kritisch. Getragen wird diese Sichtweise von geringen Ansteckungssorgen und einer nur niedrigen Wahrnehmung.
  • Ungeachtet dieser Heterogenität verbindet die Bediensteten der Polizei Sachsen ein ausgeprägtes Berufsethos. Nur eine Minderheit von 15 Prozent sah sich in einem inneren Konflikt zur beruflichen Aufgabe, die Einhaltung der Maßnahmen in der Gesellschaft durchzusetzen. Der großen Mehrheit von knapp 80 Prozent war es zudem wichtig, die geltenden Corona-Regeln selbst einzuhalten.
  • Um die dienstliche Handlungssicherheit unter den Beschäftigten der sächsischen Polizei stand es während der Corona-Pandemie im Jahr 2020 gut. Zwar sorgte die Situation bei vielen für hohe mentale Belastung. Die sehr große Mehrheit der Beschäftigten behielt jedoch das Gefühl, die dienstliche Situation im Griff zu haben. Nur wenige fühlten sich in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, in der Dienstausübung angemessene Entscheidungen zu treffen. Die Daten zeigen aber auch einen spürbaren Effekt der Ausnahmesituation im Frühjahr 2020 auf diese Aspekte dienstlicher Handlungssicherheit.
  • Viele in der sächsischen Polizei hätten sich mehr Anerkennung und Wertschätzung für ihre Leistungen während der Pandemie gewünscht. Besonders hoher Leidensdruck in solchen Belangen hat sich bei Beschäftigten gezeigt, die sich im operativen Vollzugsdienst „auf der Straße" bzw. „am Bürger" einem besonderen Gesundheitsrisiko ausgesetzt sahen.

Aus Sicht der Forscher zeichnet die Studie erstmals ein differenziertes Bild der Meinungen und Sichtweisen innerhalb der Polizei in Zeiten dieser historischen Ausnahmesituation.

„Die Befunde zeigen, dass die Polizei eine weltanschaulich vielfältige Organisation ist. In dieser Vielfalt liegt sicherlich eine Herausforderung. Aber sie ist in einer Demokratie nicht nur legitim, sondern kann eine wichtige Stärke sein.",

so Dr. Christoph Meißelbach, wissenschaftlicher Koordinator am SIPS und einer der Autoren der Studie. Auch wenn sich dabei manche Einstellungsverteilungen von denen der Gesamtbevölkerung unterscheiden, sei das Stimmungsbild in der Polizei letztlich ein Widerhall größerer gesellschaftlicher Debatten und Konfliktlinien, so die Autoren der Studie.

Die Studie ist online und als Buch verfügbar.

Erschienen ist die Untersuchung mit dem Titel „Polizeidienst in Krisenzeiten - Beschäftigentenbefragung zur Corona-Pandemie in der Polizei Sachsen" als Band 107 der Schriftreihe der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH), den „Rothenburger Beiträgen zur Polizei- und Sicherheitsforschung".

Der Band ist gleichzeitig der erste in der Herausgeberschaft des SIPS und stellt somit auch einen kleinen Neuanfang für die traditionsreiche Schriftenreihe dar. Der Band präsentiert sich nicht nur in einem neuen und zeitgemäßen Layout. Er ist auch der erste der Schriftenreihe, der per „Open Access" veröffentlicht wurde und somit als digitaler Volltext online barrierefrei unter dem folgenden Link verfügbar ist: https://slub.qucosa.de/id/qucosa:75445.

Hintergrundinformationen zum SIPS

Das Sächsische Institut für Polizei und Sicherheitsforschung (SIPS) wurde im Dezember 2019 als interdisziplinäres Forschungsinstitut an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) gegründet. Es konzentriert Kompetenzen im Bereich der anwendungsorientierten Forschung mit Polizeibezug und fungiert als gemeinsames Dach für Forschungsprojekte an der Hochschule.

Darüber hinaus führt das Team des SIPS selbst Studien mit sozialwissenschaftlichem Fokus durch. Zu den Forschungsschwerpunkten gehören dabei neben polizeiinternen Untersuchungen und Evaluationsstudien zu sicherheitspolitischen Maßnahmen auch Themen wie Kriminalitätsfurcht, Sicherheitsempfinden, Dunkelfeldaufhellung und politischer Extremismus. Nicht zuletzt fördert das SIPS den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die polizeiliche Ausbildung und Praxis.


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Ansprechpartner für Medienvertreter

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  • Erster Polizeihauptkommissar Thomas Knaup
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