Dem Pflegebetrug digital auf der Spur
Verantwortlich: Moritz Peters
Stand: 01.10.2021, 09:32 Uhr
Bundesweites Forschungsprojekt untersucht Abrechnungsbetrug im Pflegedienst mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz
Die Ausgaben der Pflegeversicherung haben sich in den vergangenen zehn Jahren von 20,4 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 45,6 Milliarden Euro im Jahr 2020 mehr als verdoppelt. Somit ist dieser Milliardenmarkt ein geeignetes Ziel für Betrugsstraftaten. Da die Abrechnung von Belegen meistens über Papierunterlagen erfolgt und nicht digital erfasst wird, kann eine zeit- und arbeitsaufwendige Prüfung in den meisten Fällen nicht gewährleistet werden. Dadurch dauert zum Beispiel die Auswertung von 30.000 Tourenplänen eines Dienstleisters aktuell bis zu neun Monate, das die Strafverfolgung immens erschwert. Um diesen Missstand entgegenzuwirken, werden aktuell in einem bundesweiten Projekt erstmalig digitale Lösungen entwickelt.
Gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und dem Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern arbeitet die Polizeidirektion Leipzig daher im interdisziplinären Forschungsprojekt "PflegeForensik" zusammen. In diesem, seit Anfang 2021 laufenden, bundesweit einmaligen Projekt wird erstmalig mit Hilfe von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz eine effektive Strafverfolgung bei Pflegebetrug durch eine automatisierte Bildverarbeitung erforscht werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die gesellschaftliche Relevanz erkannt und fördert das Projekt. Das Ziel ist die Entwicklung einer Software, die mittelfristig von den Strafverfolgungsbehörden genutzt werden kann. Der Bedarf danach ist groß. So entstand laut Spitzenverband GKV im Jahr 2018 in Deutschland ein festgestellter Abrechnungsbetrug im Pflegedienst in Höhe von 6.859.842 Euro – die Dunkelziffer könnte dabei um ein Vielfaches höher liegen.
Durch die demografische Entwicklung steigt auch die Anzahl an Pflegeverfahren, die zusätzlich eine hohe Komplexität aufweisen. „Neben den quantitativen und qualitativen Ermittlungsanforderungen müssen die Sachbearbeiter auch fit in verschiedenen Rechtsgebieten sein. So greift der Pflegebetrug unter anderem in das Sozialrecht, das Berufsrecht und das Medizinstrafrecht ein“, so Kriminalhauptkommissarin Antje Schindler vom Kommissariat für Wirtschaftskriminalität. Mit ihrem Team aus der Polizeidirektion Leipzig bringt sie im Projekt „PflegeForensik“ die Erfahrungen aus zahlreichen Ermittlungen der vergangenen Jahre mit. Die juristische Perspektive bringt im Projekt die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft mit ein, während die Forschenden aus Kaiserslautern Experten für Künstliche Intelligenz sind.
In der Praxis wird in dem Projekt eine moderne Bild- und Textverarbeitungssoftware zum automatisierten Erkennen, Erfassen und Auswerten erarbeitet. Durch innovative Verfahren der Künstlichen Intelligenz soll es ermöglicht werden, auch handschriftliche und tabellarische Einträge in Leistungsnachweisen, Touren- und Dienstplänen automatisiert einzulesen und zu digitalisieren. Spezielle Algorithmen sollen anschließend einen automatisierten Abgleich der Dokumente und den Nachweis von Auffälligkeiten ermöglichen.
Die Software soll in Zukunft die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden erheblich vereinfachen und die Ermittlungsdauer in Pflegebetrugsverfahren verkürzen können, aber auch von Kranken- und Pflegeversicherungen zur Prüfung der Abrechnungsunterlagen eingesetzt werden.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie sowohl hier https://www.polizei.sachsen.de/de/81437.htm als auch hier https://www.itwm.fraunhofer.de/de/abteilungen/fm/abrechnungspruefung.html
Das Forschungsprojekt "PflegeForensik" wird im Zuge der Bekanntmachung "Anwender Innovativ II" des Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms "Forschung für die zivile Sicherheit" der Bundesregierung gefördert. Link zur Projektseite: https://www.sifo.de/sifo/de/projekte/querschnittsthemen-und-aktivitaeten/praxistransfer-und-kompetenzaufbau/anwender-innovativ/bewilligte-projekte-aus-der-be-ung-fuer-die-zivile-sicherheit.html