Instinktiv gehandelt
Polizeihauptmeister Uwe N. zögerte nicht und konnte eine Frau aus der Elbe retten
(© Polizei Sachsen / Pascal Ziehm)
Der Wind bläst ordentlich, es ist kalt. Ein gut halbes Dutzend Journalisten stehen am Sonntagmittag um Uwe N. am Ufer der Elbe, lauschen den Worten des Polizeihauptmeisters, machen sich Notizen, haken nach, bitten ihn anschließend um Fotos und ein Videostatement. Uwe gibt bereitwillig Auskunft, nüchtern und unaufgeregt, folgt anschließend den Aufforderungen der Fotografen. Seine Hände greifen von oben in die Schutzweste – eine typisch entspannte Haltung. Auf den Elbwiesen lassen währenddessen Eltern mit ihren Kindern Drachen steigen. Viele Menschen schauen interessiert, werden sich fragen, was es mit diesem Menschenauflauf auf sich hat. Keiner wird erahnen, welches Drama sich hier vor nicht einmal 48 Stunden abgespielt hat.
»Polizist rettete Frau aus der Elbe«, lautet die Überschrift der Medieninformationen, die die Polizeidirektion Dresden am Sonntagvormittag versendet. In der Stabsstelle Kommunikation der Dienststelle gehen erste Anrufe ein. Medienvertreter wollen den Lebensretter kennenlernen, ein Gesicht zur Meldung. Uwe ist bereit, davon bei einem Vor-Ort-Termin zu erzählen.
Bloß nicht aus den Augen verlieren
Es ist Freitag – der 13. Kein gutes Omen für Menschen mit Aberglauben. Für die 22-jährige Frau, die gegen 17.25 Uhr über das Geländer des Blauen Wunder steigt und in die Fluten der Elbe springt, wird es sich rückwirkend hoffentlich als ihr Glückstag herausstellen. Gegen 17.35 Uhr geht im Führungs- und Lagezentrum der Polizeidirektion Dresden der Notruf ein: Augenzeugen haben die Szene beobachtet. Sofort erfolgt der Rundruf an alle Streifenwagen.
Uwe befindet sich gerade mit seinem Kollegen in der Nähe der Albertbrücke. Beide sind auf dem Weg zu einer Nachermittlung in der Neustadt, als sie wenden und mit Blaulicht und Martinshorn das Käthe-Kollwitz-Ufer entlangrasen. Vor Ort sehen sie Menschen mit Taschenlampe in Richtung der Elbe gestikulieren, es ist stockdunkel. »Da treibt sie!«, hört Uwe die Menschen rufen. Von der Frau ist nur der Kopf im Wasser zu sehen. Mit ihren Taschenlampen halten die Passanten und die Polizisten auf den schnell treibenden Punkt im Wasser. Keinesfalls dürfen sie sie jetzt aus den Augen verlieren. Sein Kollege setzt Funksprüche ab: Wasserschutzpolizei, Feuerwehr und Rettungsdienst werden angefordert.
Dramatische Szenen
Für Uwe ist klar, so erklärt er es zwei Tage später, die Verstärkung wird es nicht rechtzeitig schaffen. Die Strömung der Elbe ist zu stark. Mit dem Funkstreifenwagen fahren sie etwa 250 Meter auf dem Elberadweg flussabwärts. Uwe zögert nicht, entledigt sich seiner Weste, zieht die Stiefel aus, reißt sich Hose und Hemd vom Körper. »Das lief alles instinktiv ab«, sagt er zurückblickend. Das Wasser ist kalt, etwa zehn Grad Celsius. An dieser Stelle ist die Elbe etwa 30 Meter breit. Er schwimmt zu der Frau, schafft es, sie zu greifen. Während er versucht, mit ihr das Ufer zu erreichen, muss er ihren Kopf über Wasser halten. »Sie war völlig apathisch«, sagt der 48-Jährige, »aber bei Bewusstsein«. Ein Angler – später wird sich rausstellen, dass es sich auch um einen Polizeibeamten handelt –, kommt ihm in seiner Wathose im Wasser entgegen. Gemeinsam bringen sie die völlig erschöpfte und unterkühlte Frau aus dem Wasser.
Mit Decken hüllen sie die Frau ein, legen sie in den Streifenwagen. Uwes Kollege zögert nicht, eilt zum nahegelegenen Universitätsklinikum. Der Krankenwagen, der ihm entgegenkommt, wird nichts mehr zu tun haben. Der jungen Frau geht es den Umständen entsprechend gut. Mehr Worte wird man über sie an diesem Sonntag nicht verlieren.
Nach einem Kaffee setzt er seinen Dienst fort
Uwe bleibt zurück, trägt nur seine Unterhose. In einem weiteren, inzwischen hinzugekommenen Streifenwagen wärmt er sich auf. Er ist voller Adrenalin. Ob er sich Gedanken gemacht hat, fragen die Journalisten zwei Tage später. »Ich habe einfach funktioniert«, sagt Uwe. Seit 20 Jahren ist er bei der Polizei. »Es ging um ein Menschenleben, wir mussten handeln«, sagt er. Im Revier Dresden-Nord gibt es einen heißen Kaffee und eine trockene Uniform. Nachhause geht es aber noch nicht. Uwe und sein Kollege holen ihren Auftrag nach, erst um 20.00 Uhr ist die Schicht zu Ende.
Hinweis
Die sächsische Polizei berichtet in der Regel nicht über Selbsttötungen, um keinen Anreiz für Nachahmungen zu schaffen – außer Suizide oder Suizidversuche erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.
Wenn Sie selbst depressiv sind, Selbstmord-Gedanken haben, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800 1110111 oder 0800 1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.