Auf Mission im Kosovo
Kurzvorstellung: Sylvia von Wlkanowa
(© Polizei Sachsen)
Kriminaloberrätin Sylvia von Wlkanowa begann ihre dienstliche Laufbahn bei der sächsischen Polizei im Jahr 1994 und war für mehrere Jahre Sachgebietsleiterin Personal im Bereitschaftspolizeipräsidium (BPP). Ab April 1999 verschlug es sie erstmals in die Polizeidirektion (PD) Leipzig, wo sie als Dienstgruppenführerin verwendet wurde, bevor sie Mitte 2000 als Sachbearbeiterin Organisation in das SMI wechselte. Im Januar 2002 kehrte sie zur Bereitschaftspolizei (2. BPA) zurück und war dort als Zugführerin tätig. Zwischen April und Oktober 2003 arbeitete sie – wiederum als Sachbearbeiterin Organisation – im Polizeipräsidium Leipzig und lehrte danach für mehrere Monate als Fachlehrerin an der Polizeifachschule Leipzig.
Vor ihrer im Oktober 2005 beginnenden Aufstiegsausbildung begleitete sie (ab September 2004) innerhalb der Polizeidirektion Leipzig verschiedene Funktionen in der Kriminalpolizeiinspektion (KPI) und Verkehrspolizeiinspektion (VPI). Nach ihrem Studium leitete sie zunächst die VPI der Polizeidirektion Westsachsen und betrat im Mai 2008 neuerlich die Räume der PD Leipzig, welche sie seither – in Hinsicht auf ihre Verwendungen – nicht wieder verlassen hat. Hier führte sie das Direktionsbüro, stand danach dem ehemaligen Polizeirevier Leipzig-Mitte vor und leitet seit der Polizeistrukturreform das Dezernat 2 der KPI. Während der Hochzeit der Flüchtlingswelle ruhte diese Tätigkeit, weil sie im Auftrag des Leiters der PD die aus der Taufe gehobene Task Force Asyl führte und ihr mithin die maßgebliche Verantwortung für die interne und externe Koordination und Vernetzung der PD Leipzig in Asylfragen oblag.
Interview
(© Polizei Sachsen)
Webredaktion:
Worin lag und liegt Ihre persönliche Motivation, sich der Herausforderung eines Auslandseinsatzes zu stellen?
Frau von Wlkanowa:
Die Antwort liegt schon in der Frage. Ich suche eine neue Herausforderung. Ich hege zudem schon sehr lange den Wunsch, eine Auslandsverwendung wahrzunehmen. Jedes Mal, wenn ich Kontakt zu Kollegen hatte, welche im Ausland verwendet worden sind, habe ich sie über ihre Erfahrungen und Erlebnisse ausgefragt. Aus familiären Gründen hatte ich bisher jedoch einfach keine Möglichkeit, mich für den Pool zu bewerben. Jetzt ist mein Sohn den Kinderschuhen entwachsen, weshalb ich die mich faszinierende Gelegenheit beim Schopf gepackt habe.
Webredaktion:
Können Sie den Weg skizzieren, den Sie in den letzten Monaten hinsichtlich der vorbereitenden Fort- und Weiterbildung gehen mussten? War er steinig?
Frau von Wlkanowa:
Der Weg war steiniger, als ich es erwartet habe. Für mich war die englische Sprache die größte Herausforderung, weil ich einer Generation angehöre, für welche Auslandsschuljahre oder Sprachpraktika noch nicht zum Alltag zählten. So kam ich letztlich nicht umhin, intensiv Vokabeln lernen zu müssen, viele Übungen zu absolvieren oder Nachrichten und Filme in englischer Sprache zu schauen, um den Englischtest erfolgreich absolvieren zu können. Außerdem war auch die Zeit, welche für zusätzliche Lehrgänge und Termine aufzubringen war, nicht eben unbedeutend. Zunächst stand das Auswahlverfahren in Sachsen an, dann folgte der zweiwöchige Grundlehrgang in Brühl und in meinem Fall schloss sich daran gleich noch das Vorbereitungsseminar für den Kosovo an. Damit war ich drei Wochen am Stück nicht in meiner Position als Dezernatsleiterin verfügbar, was natürlich nicht gerade Begeisterung bei den Kollegen und Vorgesetzten hervorruft. Nebenher habe ich mich schon auf Ausschreibungen beworben. Dabei handelt es sich zwar um ein standardisiertes Verfahren, aber auch dies erfordert etwas Zeit. Ausgewählte Bewerber landen hernach auf der sogenannten „short list“ und werden zum Telefoninterview geladen. Auch für das Interview gibt es einen Kurzlehrgang in Brühl, welcher allerdings nicht als alleinige Vorbereitung genügt. Im Interview werden seitens des Auswahlgremiums sieben bis neun Fragen gestellt – selbstverständlich in Englisch, aber meist noch mit Akzent. Und es handelt sich um deaillierte Fachfragen. Ich habe mich für jedes Interview so um die zehn Stunden auf der jeweiligen Ausschreibung zugehörige Fachthemen vorbereitet. Und um meine Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern, habe ich zudem noch eine Woche Fortbildung am European Security and Defence College in Madrid absolviert.
Webredaktion:
Schöne Stadt!
Frau von Wlkanowa:
Sicher, aber ich war weder zum Urlaub dort noch konnte überhaupt Urlaubsstimmung aufkommen. Es war ein sehr intensives Seminar, zu dessen Bestehen ein Onlinetest gemeistert werden muss. Dieser hat mich dann noch einmal volle zwei Wochenenden gekostet, aber sonst hätte ich auch kein Zertifikat erhalten. Rückblickend kann ich sagen, obwohl bereits meine dritte Bewerbung glückte, die Vorbereitungsphase als ziemlich anstrengend empfunden zu haben. Das macht man nicht mal so eben nebenbei.
Webredaktion:
Sie werden nun demnächst in den Kosovo reisen. Hatten Sie schon zuvor Bezüge zu dieser Region oder ist es auch ein Stück weit eine Reise ins absolut Neue?
Frau von Wlkanowa:
Der Kosovo ist für mich eine Reise ins Unbekannte. Natürlich erhält jeder im Vorbereitungsseminar Informationen über das Land, jedoch ist es besser, zusätzlich Kontakt zu Beamten aufzunehmen, welche schon auf der Mission sind. Die Geschäftsstelle der AG „IPM“ in Potsdam unterstützt dabei.
Webredaktion:
Wer unterstützt?
Frau von Wlkanowa:
(lacht) Sorry, damit ist die Bund-/Länder-Arbeitsgruppe „Internationale Polizeimissionen“ gemeint. Über diese konnte ich mich mit Beamten im Kosovo austauschen, die mir viele praktische Hinweise für den Aufenthalt mitgeben konnten und die mir auch vermittelten, wie es sich anfühlt, vor Ort zu sein.
Webredaktion:
Verraten Sie, ob Ihre Reise von Wünschen, Hoffnungen und Erwartungen begleitet wird und welche dies sind?
Frau von Wlkanowa:
Meine Wünsche für die Auslandsverwendung sind natürlich, einen guten Job zu machen und mein Englisch weiter zu perfektionieren. Ich habe auch die Hoffnung und Erwartung, viele internationale Kontakte zu knüpfen und gut mit den Counterparts… (unterbricht schmunzelnd) Ich meine die Kollegen der kosovarischen Polizei, mit welche ich gut zusammenarbeiten möchte. Schön wäre natürlich auch, das Land und die Menschen näher kennenzulernen und in der Freizeit etwas Sport treiben zu können.
Webredaktion:
Wissen Sie schon, wie lange Sie vor Ort bleiben und worin Ihre konkrete Aufgabe liegen wird?
Frau von Wlkanowa:
Ich bleibe für ein Jahr im Kosovo und werde den Posten eines „Adviser to Department of investigations“ begleiten, was bedeutet, dass ich kosovarische Polizeibeamte hinsichtlich der Kriminalitätsbekämpfung beraten werde.
Webredaktion:
Werden Sie vor Ort in einer Gemeinschaftsunterkunft leben oder beziehen Sie ein etwas individuelleres Quartier?
Frau von Wlkanowa:
Wo ich wohnen werde, kann ich noch nicht sagen. Die ersten drei Tage werde ich in einem Hotel untergebracht sein und muss während dieser Zeit eine passende Unterkunft finden. Nach meinem Wissen gibt es auch gar keine Gemeinschaftsunterkünfte im Kosovo. Diese Art der Unterbringung ist wohl nur in Afghanistan und bei einigen afrikanischen Missionen vorgesehen.
Webredaktion:
Da ist ein Stichwort gefallen. Auslandsmissionen der Polizei finden mittlerweile durchaus auch in Gebieten dieser Erde statt, die man nicht unbedingt als befriedet bezeichnen kann und westliche Sicherheitskräfte gelten mancherorts – z. B. in Afghanistan – als potentielles Anschlagsziel. Gäbe es für Sie auch eine Grenze (im wahrsten Sinne), deren Überschreitung Sie in persönlicher Abwägung ablehnen würden?
Frau von Wlkanowa:
Das ist eine interessante Frage, die ich mir natürlich auch selbst schon gestellt habe. Die Antwort beziehungsweise die Entscheidung ist dabei absolut individueller Art. Ich kann mich zwar an anderen Beamten orientieren, aber deren Einstellung kann ich ebenso wenig auf mich übertragen wie ich es andersherum erwarten kann. Außerdem muss das jeder nicht nur mit sich, sondern auch mit seiner Familie besprechen, so dass letztlich eine grundehrliche Gewissensentscheidung fällt. Für mich lautet die Antwort, gegebenenfalls auch nach Afghanistan zu gehen. Allerdings hat das SMI ohnehin entschieden, dass diese Mission derzeitig nicht von sächsischen Polizeibeamten unterstützt wird.
Webredaktion:
Sie rissen es eben schon an. Solche Tätigkeiten sind natürlich auch eine gewisse Belastung für die eigenen Angehörigen, die einen längeren Zeitraum auf ihre Lieben verzichten müssen und sich wahrscheinlich auch Sorgen machen. Wie haben Sie Ihren Wunsch, eine Auslandsmission anzugehen, in Ihrer Familie kommuniziert? Gab es große Bedenken oder erfahren Sie dahingehend eher Unterstützung?
Frau von Wlkanowa:
Ich habe selbstverständlich meine Familie an der Entscheidung beteiligt, weil sie direkt davon betroffen ist. Und ich habe auch die Auffassung, dass es alle engen Angehörigen unterstützen müssen. Ich würde nicht gegen deren Willen gehen wollen und können, weil ich mich nicht einfach über deren Ängste und Sorgen hinwegsetzen möchte. Das ist natürlich kein Prozess für einen Sonntagnachmittag, sondern hat viel mit Aufklärung, offener Diskussion und Abwägung zu tun. Für mich war dabei mein Sohn der wichtigste Enscheidungspartner. Er ist zwar beinah erwachsen, aber er braucht natürlich trotzdem seine „Ma“ und ich ihn. Das wissen wir beide und ich bin sehr stolz auf ihn, weil er meinen Wunsch, ins Ausland zu gehen, dennoch unterstützt. Ob es sich dann so einfach gestaltet, wie wir uns das jetzt so vorstellen, wird die Zukunft zeigen. Ich hoffe aber, das Jahr im Kosovo wird für meine gesamte Familie überwiegend positive Erfahrungen mit sich bringen.
Webredaktion:
Haben wir eine wichtige Frage vergessen? Möchten Sie noch etwas anfügen?
Frau von Wlkanowa:
Ja, ich möchte hinzufügen, dass alle Verantwortlichen, welche mit dem Auslandspool beschäftigt sind, ob im Englischkurs, im SMI, bei der AG IPM, in Brühl beim Fortbildungsinstitut und speziell alle Lehrgangsbetreuer, eine super Unterstützung gegeben haben. Sie setzen viel daran, so vielen Bewerbern wie möglich eine Chance zu geben, in einer internationalen Polizeimission zu arbeiten. Vielleicht lesen Sie das Interview und ich möchte mich deshalb ganz herzlich bei ihnen bedanken. Allein schon die vielen tollen Menschen, welche ich bisher auf dem Weg getroffen habe, waren die Anstrengung Wert.
Webredaktion:
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Offenheit, uns hier Rede und Antwort gestanden zu haben. Vielleicht schaffen wir es, in Kontakt zu bleiben und einen kleinen Zwischenbericht über Ihre Erfahrungen vor Ort zu veröffentlichen. Gern würden wir Sie auch nach Ihrer Rückkehr noch einmal befragen dürfen. Für die anstehende Mission wünschen wir Ihnen, sicherlich auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen, eine im positiven Sinn spannende und erlebnisreiche Zeit, viele neue Eindrücke, gutes Gelingen sowie – weil es immer nützlich ist – Gesundheit und Glück.
Das Interview führte Andreas Loepki aus dem Direktionsbüro mit Frau von Wlkanowa.